Die Faszination der Ausstrahlung Kremsmünsters, mit einer für jeden von uns besonderen Klangfarbe, ist ein einzigartiger Kristallisationspunkt für das Entstehen und Bestehen von Freundschaften über Generationen hinweg. Die Pflege dieser Freundschaft hat sich der Kremsmünsterer Verein zur Aufgabe gestellt. Möge jeder Altkremsmünsterer seinen Beitrag leisten, um sich und seinen Kollegen dieses Band der Zusammengehörigkeit zu erhalten und zu festigen!“ (Descovich).
Die „einzigartige Liebe und Anhänglichkeit, die die einstigen Kremsmünsterer Studenten seit eh und je für ihre ehemalige Studienstätte empfanden“ (Barber), ist geradezu sprichwörtlich. Erstmals zum zehnjährigen Maturajubiläum, danach alle fünf Jahre wieder findet sich jeder Maturajahrgang zu Jubiläumsfeiern zusammen, die im Beisein der Activitas und der Professoren begangen werden. Fühlen sich die Altkremsmünsterer dem Stift mit seinem Konvent, seiner alten Schule und deren Professoren zeitlebens verbunden, so versteht es sich von selbst, dass sie seine Feste auch zu den ihren machen und an seinem Wohl und Wehe regen Anteil nehmen. Neben den Jubiläumsterminen, zahlreichen Einzelbesuchen und Klassentreffen sind es daher vor allem Gunthervesper und Stiftertag, die alljährlich eine große Zahl alter Kremsmünsterer an ihrem ehemaligen Studienort zusammenführen. Jene Institution, die es übernommen hat, die Gemeinschaft der ehemaligen Studenten des Stiftsgymnasiums Kremsmünster zu pflegen, ist der Kremsmünsterer Verein, welcher mit den 125 Jahren seines Bestehens eine der traditionsreichsten Altschülervereinigungen Österreichs verkörpert.
Der Kremsmünsterer-Verein wurde im Jahre 1881 als „Unterstützungs-Verein für ehemalige Kremsmünsterer Studenten in Wien“ gegründet. Mit Erlass der k.k. n.ö. Statthalterei vom 1. März 1882 wurde die Vereinsgründung bescheinigt; am 30. Oktober 1882 fand im Senatssaal der Universität Wien die konstituierende Versammlung statt. Als erstes Vereinsjahr gilt das Jahr 1882 (1. Oktober 1881 bis 30. September 1882). Der Gedanke des vereinsförmigen Zusammenschließens der ehemaligen Kremsmünsterer Studenten dürfte aber bereits fünf Jahre zuvor geboren worden sein, als sich von 18. bis 20. August 1877 mehr als dreihundert Altkremsmünsterer aus allen Teilen der Monarchie und aus dem Ausland in Kremsmünster zusammenfanden und gemeinsam mit den aktiven Schülern, den Patres und Professoren die Feier des elfhundertjährigen Bestehens „ihres“ Stiftes begingen. Dazu war ein „Festkomitee“ gegründet worden, das mit der Vorbereitung der Feier seitens der Altkremsmünsterer betraut war und dem der ehemalige k.k. Justizminister Dr. Anton Hye von Glunek (MJ 1825) als Vorsitzender, der spätere Präsident der Wiener Akademie der Wissenschaften Dr. Alfred Ritter von Arneth (MJ 1836) als sein Stellvertreter, der Rechtsanwalt Dr. Viktor Trotter (MJ 1846) als Kassier und der Mediziner Dr. Karl Itzinger (MJ 1869) als Schriftführer angehörten. Letztgenannter sollte 1882 zum ersten Obmann des neuen Vereines gewählt werden und dessen Geschicke über ein halbes Jahrhundert hinweg lenken.
Neben der Veranstaltung regelmäßiger geselliger Zusammenkünfte, der monatlichen Herrenabende und von Tanzunterhaltungen wie dem in den 1910er Jahren in Wien bereits zu einem gesellschaftlichen Ereignis gewordenen, damals jährlich abgehaltenen „Kremsmünsterer Kränzchen“ sah es der Verein von Beginn an als seine vornehmste Aufgabe, bedürftige junge Kollegen in ihrem Fortkommen zu fördern, wobei sich der Kreis der möglichen Unterstützungsempfänger anfangs auf aktive Hörer an Wiener Hochschulen beschränkte.
Erst mit einer 1925 vorgenommenen, grundlegenden Statutenänderung – die auch die Umbenennung des Vereines mit sich brachte: er sollte hinfort „Kremsmünsterer-Verein“ heißen – wurde die Unterstützungstätigkeit satzungsmäßig ausgeweitet und die Förderung der Interessen des Gymnasiums sowie aller an demselben bestehenden Einrichtungen ausdrücklich zum Vereinsziel erklärt. Überdies wurde die Möglichkeit eröffnet, regionale „Ortsgruppen“ des Vereines mit jeweils eigenem Wirkungskreis zu schaffen. Noch im selben Jahr entstanden solche Ortsgruppen in Wels und in Salzburg. In Linz, wo sich bereits 1914 eine vom Verein zunächst unabhängige „Kremsmünsterer Tischrunde“ zusammengeschlossen hatte, und in Innsbruck wurden jeweils 1928 Ortsgruppen gegründet, 1929 konstituierte sich die Ortsgruppe Graz.
Im Jahre 1935 übernahm Generalrat Dr. Paul Schwarz (MJ 1878) die Leitung des Vereines, die nach seinem Ableben 1937 dem Obmann-Stellvertreter, Rechtsanwalt Dr. Alfred Pogner (MJ 1898), zufiel.
Wie alle studentischen Hilfsvereine wurde auch der Kremsmünsterer Verein nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im Jahre 1938 aufgelöst, sein Vermögen von 1.173,07 Reichsmark wurde eingezogen. Im September 1938 wurde dem Gymnasium das Öffentlichkeitsrecht aberkannt, die Schule im Herbst als NS-Oberschule eröffnet; 1941 wurde das Stift aufgelöst und der Konvent vertrieben. Dennoch trafen sich – wenngleich von der Gestapo beargwöhnt – auch während des NS-Regimes immer wieder Altkremsmünsterer zu formlosen Zusammenkünften, und bereits kurz nach Kriegsende, am 21. Juli 1945, konnte wieder der erste offizielle Kremsmünsterer-Abend in dem von Bombenschäden gezeichneten Wien stattfinden. Am 29. Juni 1945 war Abt Ignatius aus dem Schweizer Exil nach Kremsmünster zurückgekehrt, und schon im Herbst dieses Jahres öffneten Gymnasium und Konvikt unter geistlicher Führung wieder ihre Pforten. Mit Bescheid vom 9. Februar 1946 stimmte das Bundesministerium für Inneres auch formell einer Wiederaufnahme der Vereinstätigkeit zu.
Freilich hatten die Kriegsverhältnisse unweigerlich eine Lockerung der Kontakte mit sich gebracht, viele Kollegen waren dem Krieg zum Opfer gefallen, waren ausgewandert, verschollen, verstreut. Trotz der schlimmen Notzeit gelang es aber der Vereinsleitung binnen kurzem, die alten Bindungen wieder erstarken zu lassen. Bis zum Sommer 1947 hatten sich bereits 264 alte Kremsmünsterer, darunter 40 Konventualen des Stiftes, in dem aufs Neue erstandenen Kremsmünsterer Verein zusammengefunden.
Zu der auch vom Verein tatkräftig mitgestalteten Feier des 400-jährigen Gründungsjubiläums des Gymnasiums im Jahre 1949 fanden sich nicht weniger als 400 Altkremsmünsterer ein, als Ehrengabe wurde Abt Ignatius die Festschrift des Kremsmünsterer Vereines „400 Jahre Gymnasium zu Kremsmünster“ überreicht. Die Gemeinschaft umfasste damals bereits wieder 500 Mitglieder, rund die Hälfte aller Altkremsmünsterer, deren Adressen bekannt waren.
Zu Beginn der 1950er Jahre wurden weitere Ortsgruppen des Vereines in Kremsmünster und Vöcklabruck gegründet. 1978 konstituierte sich eine Landesgruppe BRD, die seither in unregelmäßigen Abständen jeweils über gesonderte Einladung tagt. Anfang der 1980er Jahre bildeten sich auch im Innviertel und im Salzkammergut eigenständige Ortsgruppen. Als jüngste Kinder des Vereines wurden schließlich 2007 die Ortsgruppe Leoben und 2008 die Landesgruppe Südtirol ins Leben gerufen.
Von 1946 bis 1964 war Kommerzialrat Dr. Josef Grüllemeyer (MJ 1905) Vereinsobmann, der auch die seit 1957 als Leitspruch der Altkremsmünsterer dienende Devise: „fides et auxilium“ formulierte. Lassen wir ihn dazu selbst sprechen:
„Wie schon unser Wahlspruch – fides et auxilium – besagt, ist der Zweck unseres Vereines ein doppelter: Treue zu halten und Hilfe zu leisten. Treue zum Stift und seinem Gymnasium, zu unseren Lehrern und Kollegen, mögen sie noch unter uns weilen oder schon hinübergegangen sein, Treue und Freundschaft untereinander. Aus dieser Treue ergibt sich von selbst der zweite Zweck, den wir zu erfüllen suchen: bedürftigen Altkremsmünsterern, insbesondere der an den Hochschulen studierenden Jugend, nach Maßgabe unserer Mittel Hilfe zu bringen und auch Institutionen zu fördern und zu unterstützen, deren Schaffung und Erhaltung uns aus Gründen der Tradition am Herzen liegt“.
Diesen Zielen hat die Gemeinschaft auch in der Folge stets gerecht zu werden versucht, und im Jahre 1965 konnte sie bereits 820 von insgesamt 1.267 erfassten Altkremsmünsterern in sich vereinen.
Nach einer interimistischen Leitung durch den langjährigen Obmann-Stellvertreter und 1965 zum Ehrenpräsidenten des Vereines gewählten Sektionschef im Bundesministerium für Soziales Dr. Erwin Barber (MJ 1912) setzt sich die Reihe der Obmänner mit dem Rechtsanwalt Dr. Hermann Gujon (MJ 1939, 1965 – 1966) und dem Mediziner Dr. Kurt Descovich (MJ 1937, 1966 – 1984) fort, welcher im Jubiläumsjahr 1977, aus Anlass des 1200-jährigen Bestehens des Stiftes, im Rahmen eines würdig gestalteten Treffens der Altkremsmünsterer am 22. Mai Abt Albert einen goldenen Prunkkelch als Festgeschenk überreichte.
Nachdem Dr. Descovich 1984 aus Altersgründen sein Amt zurückgelegt hatte, wurde Dkfm. Johannes Bernhardt (MJ 1957) zum Obmann gekürt, der den Verein durch 23 Jahre mit großer Umsicht auf das Vorteilhafteste leitete. Seit März 2007 steht nun der Rechtsanwalt in Wien Dr. Roland Neuhauser (MJ 1975) dem Verein an erster Stelle vor.
Mit dem Schuljahr 1990/91 wurde das Gymnasium auch Mädchen zugänglich gemacht, und 1998 hat die erste junge Frau ihre Reifeprüfung in Kremsmünster abgelegt; ein Jahrzehnt danach verweist unsere alte Klosterschule bereits auf 77 Absolventinnen (Oktober 2008). Anfänglichen Kassandrarufen zum Trotz hat der sprichwörtliche „Kremsmünsterer-Geist“ dadurch mitnichten gelitten. Rechnen doch gerade junge Altkremsmünstererinnen allerorten zu den treuesten Besuchern der Vereinsveranstaltungen, wie denn überhaupt der Genius Loci Cremifanensis auch auf die Jüngsten unter uns seine besondere Faszination ausübt.
Dem Einsatz und der Begeisterung Vieler verdankt es sich, dass der Kremsmünsterer-Verein trotz der Ungunst mancher Zeitläufte bis heute bestehen geblieben und dabei zwar an Jahren, nicht aber in seinem Erscheinungsbild gealtert ist, verjüngt er sich doch von Jahr zu Jahr durch den Zuwachs an neuen Maturanten. So zählt der Verein heute rund 1.500 Mitglieder, nahezu alle Absolventen unserer Alma Mater Cremifanensis gehören ihm zu. In der Trias Stift – Gymnasium – Altkremsmünster stellt er damit eine nicht zu vernachlässigende Größe dar. Das Hauptgewicht der Unterstützungstätigkeit des Vereines freilich hat sich in den letzten Jahrzehnten verlagert: Wurden noch bis in die 1970er Jahre vor allem mittellose und studierende Altkremsmünsterer aus Vereinsmitteln gefördert, so steht heute das Gymnasium im Mittelpunkt der Unterstützungsarbeit. Ein Gutteil der aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden geschöpften Einnahmen – im Jahr 2007 beliefen sich diese auf immerhin rund 11.600 Euro – kommt Belangen der Schule zugute und wird insbesondere für den Ankauf von Lehrmitteln sowie dafür verwendet, Schülern die Teilnahme an mitunter kostspieligen schulischen Veranstaltungen wie Sprachreisen und Sportwochen zu ermöglichen.
In diesem Sinne lautet das Bekenntnis der Altkremsmünsterer zu ihrer einstigen Bildungsstätte:
„Academia Cremifanensis vivat, crescat, floreat!”
Clemens Oberressl (MJ 1994)